Die Vorsorgevollmacht im Erbfall

Vorsorgevollmachten haben mit Recht eine weite Verbreitung gefunden. Sie werden tagtäglich verwendet. Durch sie können Angehörige und Freunde denjenigen Betroffenen im Alter oder bei Krankheit helfen, die das noch rechtzeitig ermöglicht haben.

Es wird jedoch oft übersehen, dass eine Vollmachtserteilung sowohl für den Vollmachtgeber als auch für den Bevollmächtigten diverse Risiken mit sich bringt. Zum einen besteht die Gefahr, dass der Bevollmächtigte die Vollmacht für seine eigenen Zwecke missbraucht. Zum anderen muss der Bevollmächtigte aber auch aufpassen, dass er sich nicht durch unvorsichtiges (fahrlässiges) Handeln schadensersatzpflichtig macht.

Bei einer Bevollmächtigung ist rechtlich immer zwischen dem Innen- und Außenverhältnis zu unterscheiden. Die Vollmacht als solche regelt, inwieweit der Bevollmächtigte für den Vollmachtgeber im Rechtsverkehr (d.h. im Außenverhältnis) handeln „kann“. Die Vorsorgevollmacht regelt aber nicht, was der Bevollmächtigte (im Innenverhältnis) „darf“.

Dieser Unterschied ist erbrechtlich nach dem Tod des Vollmachtgebers solange kein Problem, wie der Vollmachtnehmer alleiniger Erbe des Vollmachtgebers wird. Schwierig wird es aber, wenn es weitere Miterben gibt oder der Vollmachtnehmer überhaupt nicht zum Kreis der Erben gehört. Streit kommt schon dann auf, wenn nur ein einziges Mitglied einer Erbengemeinschaft damit unzufrieden ist, dass oder wie ein anderer die Geschäfte des Erblassers geführt hat. Dann gilt Folgendes:

  • Mit dem Tod des Vollmachtgebers treten dessen Erben an seine Stelle.
  • Die Erben erhalten damit unter anderem das Recht, vom Bevollmächtigten Auskünfte, Rechnungslegung, Herausgabe und ggfs. auch Schadensersatz zu fordern!
  • Auch jeder einzelne Miterbe kann diese Rechte für die Erbengemeinschaft geltend machen.

Eine vom Bundesgerichtshof anerkannte Ausnahme gilt, wenn sich Ehegatten eine Vorsorgevollmacht erteilt haben. Dann geht die Rechtsprechung wegen des engen familiären Verhältnisses von Ehegatten normalerweise davon aus, dass ein Auftragsverhältnis mit den o.g. Pflichten nicht gewollt war. Das gilt vor allem dann, wenn ein Ehegatte schon zu Lebzeiten jahrelang in freiem Willen davon abgesehen hatte, seine Kontrollrechte gegenüber dem anderen Ehegatten auszuüben. Bei komplexem Vermögen, z.B. mit Unternehmensbeteiligungen könnte das aber auch anders beurteilt werden.

Ein solcher Normalfall liegt natürlich auch nicht mehr vor, wenn tatsächlich konkrete Zweifel an der Zuverlässigkeit des bevollmächtigten Ehegatten bestehen. Dann bleibt es auch für den hinterbliebenen Ehegatten dabei, dass die Erben gegen ihn ein Recht auf Auskunft, Rechnungslegung, Herausgabe und Schadensersatz haben können.

Wenn sich z.B. ein Bekannter oder eines von mehreren Kindern um einen älteren Menschen gekümmert und eine Vollmacht genutzt hat, können die Erben alle o.g. Ansprüche geltend machen. Das kann zum Teil dramatische Folgen haben.

Einer der häufigsten Fälle ist, dass der Bevollmächtigte für den Erblasser Geld von dessen Konto abgehoben hat. Er trägt dann die volle Beweislast dafür, dass er es tatsächlich dem Erblasser gegeben oder weisungsgemäß für ihn verwendet hat. Kann er im Prozess vor Gericht keine ausreichenden Quittungen oder Zeugen vorweisen, muss er das Geld an die Erben zurückzahlen. Behauptet er, das Geld (oder ein anderer Gegenstand) sei ihm vom Erblasser geschenkt worden, muss er auch das beweisen. Andernfalls ist er zur Rückgabe oder zum Schadensersatz verpflichtet.

Diese Regelung hat auch durchaus ihren Sinn. Schließlich hätte auch der Erblasser selbst zu Lebzeiten ein berechtigtes Interesse daran, dass sein Vermögen nicht vom Bevollmächtigten veruntreut wird.

Andererseits sollte der redliche Bevollmächtigte, der wirklich nur uneigennützig helfen wollte, nicht nachträglich bestraft werden. Davor kann der Vollmachtgeber den Bevollmächtigten aber wirksam durch eine zusätzliche Vereinbarung bewahren. Diese sollte außerhalb der Vollmacht geschlossen werden und bindet die Erben.

In einer solchen vertraglichen Vereinbarung können z.B. der Maßstab der Haftung gegenüber der gesetzlichen Regelung verringert oder Rechnungslegungspflichten individuell angepasst werden. Auch die o.g. Beweislastverteilung kann ins Gegenteil verkehrt werden. Möglich ist unter anderem auch, eine Aufwandsentschädigung und darüber hinaus sogar eine Vergütung zu vereinbaren. Ebenso ist es im Interesse des Vollmachtgebers denkbar, dem Bevollmächtigten konkrete Handlungsanweisungen zu erteilen, an die er sich halten muss.

Die Errichtung von Vorsorgevollmachten ist heute notwendiger und anerkannter Bestandteil der eigenen Lebensplanung. Es wird aber häufig übersehen, dass ihre Auswirkungen den Tod eines zu pflegenden Menschen weit überdauern können. Entsprechend hoch ist die Zahl erbrechtlicher Folgeprozesse, von denen die meisten durch qualifizierte Beratung vermeidbar gewesen wären. Versäumen Sie deshalb nicht, Ihren Rechtsberater auf diese Fragen anzusprechen.

RECHTSANWALT CHRISTIAN GRAUEL
FACHANWALT FÜR ERBRECHT

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