Das Vermächtnis im Erbrecht

Die Anordnung eines Vermächtnisses ist neben der Erbeinsetzung ein Instrument, um einer anderen Person etwas aus seinem Nachlass zukommen zu lassen. Im Folgenden sollen kurz die wesentlichen Merkmale und rechtlichen Fragestellungen erläutert werden:

…Gegenstand eines Vermächtnisses können z.B. Bargeld, Forderungen, bewegliche Gegenstände, Immobilien, Wohnrechte oder auch laufende Rentenzahlungen sein. Der Vermächtnisanspruch entsteht mit dem Eintritt des Erbfalls. Seine Erfüllung kann aber auch auf einen späteren Zeitpunkt aufgeschoben oder an den Eintritt bzw. Wegfall bestimmter Bedingungen geknüpft werden.

Ein Vermächtnis muss genauso wie die Bestimmung eines Erben durch eine wirksame Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) angeordnet werden.

Dabei wird der Begriff „Vermachen“ im allgemeinen Sprachgebrauch oft gleichgesetzt mit dem Begriff „Vererben“. Aus juristischer Sicht ist dies jedoch falsch, da zwischen der Stellung als Erbe und der Stellung als Begünstigter eines Vermächtnisses (Vermächtnisnehmer) erhebliche Unterschiede bestehen.

Der Erbe ist Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers und tritt sozusagen vollumfänglich in dessen Fußstapfen. Er übernimmt den kompletten Nachlass mit allen Rechten und Verpflichtungen. Diese Gesamtrechtsnachfolge tritt automatisch von Gesetzes wegen mit dem Erbfall ein.

Der Vermächtnisnehmer tritt hingegen nicht die Rechtsnachfolge des Erblassers an und mit dem Nachlass als solchem hat er eigentlich nichts zu tun. Er erwirbt lediglich einen Anspruch, den er aktiv vom Erben einfordern muss. Der Erbe muss den Vermächtnisanspruch dann erst noch durch eigene Rechtshandlungen erfüllen. Keinesfalls darf sich der Vermächtnisnehmer einfach selbst bedienen. Wenn der Erbe die Herausgabe des Vermächtnisgegenstandes verweigern sollte, kann bzw. muss der Vermächtnisanspruch vor Gericht eingeklagt werden. Zu beachten ist insoweit, dass der Vermächtnisanspruch bei Erbfällen nach dem 01.01.2010 im Regelfall nach 3 Jahren verjährt. Beinhaltet das Vermächtnis Rechte an einem Grundstück, beträgt die Verjährungsfrist 10 Jahre. Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Vermächtnisnehmer Kenntnis hinsichtlich der den Anspruch begründenden Umstände und der Person des Schuldners erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Nach Ablauf der Verjährungsfrist kann sich der Erbe auf die Verjährung berufen und die Erfüllung des Vermächtnisses verweigern! (Für Erbfälle vor dem 01.01.2010 gelten andere Verjährungsregeln.)

Die Anordnung eines Vermächtnisses eignet sich vor allem für Fälle, in denen die Entstehung einer Erbengemeinschaft vermieden werden soll. Dies kann z.B. sinnvoll sein, wenn man Streit bei der Verwaltung und Auseinandersetzung zwischen möglichen Miterben und einen dadurch bedingten Verfall des Nachlassvermögens befürchtet. Der durch Vermächtnis Begünstigte erhält dann zwar wirtschaftlich seinen Anteil am Nachlass, jedoch kann er keinen Einfluss auf die Verwaltung und Verwertung der einzelnen Nachlasswerte nehmen.

Ein Vermächtnis kann auch aus ganz unterschiedlichen Motiven genutzt werden, um einer Person, die nicht zur Familie gehört, eine Sache oder einen Geldbetrag zuzuwenden.

Auch ein Miterbe kann ein Vermächtnis erhalten, sodass er mehr aus dem Nachlass bekommt als es seiner Erbquote entspricht.

Vermächtnisse dürfen allerdings nicht dazu führen, dass Pflichtteilsansprüche anderer ausgehöhlt werden.

Ein angeordnetes Vermächtnis wird im Regelfall unwirksam, wenn der Bedachte beim Eintritt des Erbfalls nicht mehr lebt. Der Erblasser hat insoweit aber die Möglichkeit, einen „Ersatzvermächtnisnehmer“ zu benennen, dem dann der Vermächtnisanspruch zusteht.

Dieser Artikel soll und kann Ihnen lediglich einen groben Überblick über die rechtlichen Grundsätze und besonderen Wesensmerkmale des erbrechtlichen Vermächtnisses geben. Nur im Rahmen einer persönlichen Beratung bei einem auf Erbrecht spezialisierten Rechtsanwalt oder Notar ist eine vollständige und einzelfallbezogene Besprechung dieses Themenbereichs möglich.

RECHTSANWALT CHRISTIAN GRAUEL
FACHANWALT FÜR ERBRECHT

Die Texte wurde gemäß den anwaltlichen Sorgfaltspflichten erstellt. Jede Haftung für den Inhalt und die Aktualität bleibt jedoch ausgeschlossen. Eine Einzelfallberatung durch unsere Rechtsanwälte wird durch den Text nicht ersetzt.